Neue Heimat: Baum pflanzen.

Jens Jansens Arbeiten erzählen uns etwas.
Sie sprechen von einem Universum, das gerne in Vergessenheit zu geraten scheint. Es sind die Lebenswelten der Vororte und Gemeinden, den stets aus der Mode geratenen, aber dennoch gleichwohl alltäglichen Erfahrungsräumen sehr vieler Menschen: jener Heimat des „kleinen Mannes“. Ein Stück weit wirkt es gerade so, als würde man sich in heutiger Zeit solchen Umfeldes schämen- zumindest, wie man anhand einer oft fast leugnerischen Haltung gegenüber allem allzu Bürgerlichen wahrnehmen kann. Und doch ist es gerade dieser Kosmos des Umlandes und des „Nirgendwo“, welcher ebenso die Herkunft des Ein oder der Anderen darstellt, die es später in die Großstadt verschlagen hat.

Jansens Arbeiten nun sprechen gleichwohl von einer Hinwendung und Zuwendung zur eigenen Geschichte und Ursprung. Gleich, wie belächelt, scheinbar bedeutunglos, oder zumindest unanerkannt sie mitunter gesehen werden mag- von Außen, wie einem selbst.

Viele Nuancen und Ebenen von Familie, Gewachsenem und Traditionen finden sich in seinen Bildern. Vielfältige Arten und Formen solcherlei Bildsujets, und dessen Strukturen der Erscheinung, wie: Idylle, Verklärung, Romantisierung und Kitsch, durchwirken allesamt die meisten seiner verschiedenen Werke. Sie durchscheinen Jansens Arbeiten; es transferriert sich dabei immer wieder, sei es über die Ausdrucksmöglichkeiten des Bildes selbst, den gewählten Sujets und Werkformen, aber auch vermittels seinen Inhalten.
Da spricht eine beiläufige Ironie, wie zum Beispiel in der Serie der „Altäre“, und ebenso zeigt sich doch eine christliche Verwurzelung: Verehrung, Entzückung und pathetische Schwärmerei, die sich aus jener religiösen Prägung genährt zu haben scheinen.
Jens Jansen sprach einmal davon, daß die Serie der „Altäre“ oft einen hohen Zuspruch erfahren würde: Die Besucher der Ausstellungen erzählten ihm, wie sie sich ihrer eigenen Familie erinnerten, sich in Kindheit und dem eigenen, gewachsenen Leben wiedergefunden hätten beim Anschauen seiner Objekte. Nachgerade auch Betrachter aus anderen Kulturkreisen, wie Mexiko, Peru oder Rußland, beispielsweise.
In der Malerei Serie der „Stoppelacker“ wiederum ergreift uns zuerst ein romantischer, aufschäumender Gestus, der sich jedoch alsbald ins Kitschige verliert; ins Unbeholfene fast. Die Verwendung des glänzenden Paketbandes, Glitzerndem und anderen Materialien entlarven den Pathos schon im Moment des Anschauens. Wir sehen hier Stammbäume (so sind die Arbeiten betitelt), die aber allesamt abgeschlagene Stümpfe zeigen, keine hochgewachsenen Kronen und Geäste.
Die Collagen von Jens Jansen hingegen beschreiben vielfältige Haltungen, Meinungen und Vorstellungen, die das Miteinander der Menschen bereits weitgehend vorzugestalten vermögen: Die Collagenserie „In unserer Stadt“ beispielsweise, welche „Die schöne Nachbarstochter“ als überkommenes Bild wiedergibt; oder die Arbeit „In unserer Stadt“, in der wir Schneekugeln mit miniatürlich vorgeführtem Innenleben sehen, gar putzig und adrett nebeneinander; wohl in einem sogenannten `Frankfurter Bad´ fotografiert.
Andere Collagenserien wie „Baum pflanzen, Haus bauen“ hingegen, oder das „Tryptichon“, führen dann aber tiefer ins Seelische, in die Hintergründe: Ausgehend vom ikonografischen Bild des Baumes, der „Liebe“ und „Haß“ als Früchte abwirft, lesen wir hier die Titel weiterer Werke wie „Angst essen Seele auf“, „Angststarre (Scham, Zorn, Trauer, Wut)“ und „Schlaf, Kindlein schlaf“.
Wie ein Schaubild entwickeln sich Kreisläufe und Systemiken in diesen Werken; Begriffe wie „Scham“ und „Zorn“ katalysieren sich beispielsweise in Flaschen zu „Hochmut“, „Trauer“ und „Wut“ werden zu „Neid“.
Hier leuchtet das Unbewußte auf, wenn auch in Begrifflichkeiten, vermittels der eigentümlichen Collagen. Das sich auf solche Art in und hinter den Weltanschauungen, Idyllen und verklärten Empfindungen Verbergende in seinen Arbeiten, läßt die Bildsprache und – systeme des Kitsch und der Übertreibung in den restlichen Teilen der Arbeiten beinahe schon sich selbst entlarven.

In ganz anderer Weise greift Jens Jansen die Vielgestaltigkeit und Manifestationen des Verklärens auf; und zwar letztlich in ihrer Bedeutsamkeit als Strategie eines Maskierens, Bannens und vor allem: der Erschaffung von Mythen.
Das 2008 geschriebene, philosophisch- wissenschaftliche Buch „Eine Sprache der Jugendlichkeit. Träumen, Hoffen, Wünschen. Von Markenzeichen mythischer Selbstbilder und der Idylle verklärter Kommunikation“ beschreibt in 210 Seiten eine eben jenen vorstädtischen Lebenswelten in ihren idyllisierenden Tendenzen nicht unähnliche Strategie unserer heutigen Gesellschaft: Vorstellig werdend dort, wo sie, gleichfalls, in modernen Idyllen selbstgestalteter Bilder und Kommunikation Mythen über sich kreiert, als Bild einer Sprache der vermeintlichen Jugendlichkeit.
Jansen entwickelt seine Theorie vor allem anhand der Arbeiten Blochs, Debords, Baudrillards und anderer.

Ein weiterer Hintergrund seines Tätigseins mag ihn dazu wohl ebenfalls inspiriert haben: Die frühen Jahre in der Pionierszeit der deutschen Hiphop Szene, als Sprüher, und später als Tänzer in den Clubs der deutschen Metropolen, der Videoclips und Tourauftritte von Dance, Rap und Popgruppen Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger...

Am Unverstelltesten, fast Wahrhaftigsten wirkt Jens Jansen jedoch- auf mich persönlich- in seiner stärksten Disziplin, dem Medium der Zeichnung:
Bei der Serie der „Neuen Heimat“ beispielsweise, die von seinen Lebensräumen erzählt, von Interieurs der Wohnungen, der Straßen und Städte seines gelebten wie erinnerten Alltages- durchmischt von konnotierten Zitaten und Episoden der Geschichte dieser Orte, Plätze und Häuser.
Jene Serie entkleidet sich der Hilfsmittel der Ironie, Übertreibung oder Zuspitzung; hier sprechen eine Liebe und Verbundenheit zu der gezeigten Heimat, eingefaßt in die Direktheit des zeichnerischen Mediums durch seine Gebrauchsweise.
Dasselbe in der Serie der „Bäume“, einer über fast 170 Blätter ausgedehnten, mehrjährigen Zeichenepisode der je gleichen Bäume vor seinem Küchenfenster:
Hier führen uns die einzelnen Zeichnungen, mithilfe der Qualität des Zeichnerischen, in eine Atmosphäre und Wiederklang des Nicht- Abbildbaren. Es wirkt gerade so, als vermittle die zeichnerische Kraft Beidem die Möglichkeit, von Weite und Raum zu sprechen.

Die Wiederholung und das Immer Gleiche sind der Startpunkt, von dem aus trotzdem eine belebte Freiheit sich zu entwickeln vermag, die aus der Kraft der Striche, des Gestus und Impulses herrührt.
Ich erinnere mich dabei an Jens Jansens Erzählungen über seine täglichen Praxis der Zen Meditation; das Meditieren selbst, als auch das völlige Versinken in eine Tätigkeit, gleich, welcher Art sie sein mag. Es könnte durchaus sein, daß diese Praxis und seine längste künstlerische Tätigkeit- die Zeichnung- in engem Verhältnis zueinander stehen.

Jan W. Johansson